Eine meiner wichtigsten Werte ist die Familie. Liebe, Geborgenheit, Sicherheit – sich aufeinander verlassen können, füreinander da sein. Das ist schön und ein zutiefst menschliches Bedürfnis.
Leider verlieren diese Werte in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Wie Andreas Reckwitz in seinem Buch “Die Singularisierung der Gesellschaft” sehr schön deutlich macht, definieren wir uns heute sehr viel weniger als früher über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Vielmehr wollen wir ein echtes Unikat zu sein. Nur nicht Durchschnitt, nur nicht so wie andere.
Personal Branding und Wettbewerb wohin das Auge reicht
Bitte missversteht mich nicht, ich bin ein ausgesprochener Fan der Digitalisierung. Aber sie hat einen entscheidenden Schritt zur “Singularisierung” beigetragen. Über unsere Smartphones oder allein im Homeoffice sitzend schauen wir durch die aufgepimpten Schaufenster der sozialen Netzwerke auf all die großartige Einzigartigkeit. Das erzeugt Druck. Vor allem bei den Menschen, die sich nicht in Szene zu setzen wissen. Oder es einfach nicht wollen. Auch in vielen Unternehmen klettern nach wie vor hauptsächlich Menschen mit stark ausgeprägten narzisstischen Zügen die Karriereleiter empor. Wer am lautesten brüllt wird gehört. Ist dann aber meist nicht in der Lage, anderen Raum für Leistung zu geben und Wert aus der Kraft einer Gruppe zu schöpfen.
Team will gelernt werden
Als Mutter von drei Kindern, zwei im Teenageralter, erlebe ich, wie sich diese Entwicklung in der nächsten Generation weiter manifestiert. Die Kids folgen denen, die mit provokanten Parolen und viel Glitzer Likes und Kommentare jagen. Viele von ihnen verbringen ihre wertvolle Lebenszeit nicht mehr mit Freunden im Kino, Schwimmbad oder Sportverein, sondern allein vor dem PC. Dort lernen sie vermutlich wenig über das Zusammenleben und -wirken mit anderen.
Mit anderen zusammen zu arbeiten, das heißt, sich in den Dienst einer gemeinsamen Sache zu stellen, sich an Regeln zu halten, Kompromisse einzugehen, aufeinander zu achten. Das will gelernt werden. Auch in unserem staatlichen Schulsystem ist dafür leider wenig Platz.
“Wenn jeder an sich denkt, ist doch an alle gedacht.”
Ist es also einfacher, wenn man nicht auf andere Rücksicht nehmen muss?
Kann man so sehen, ist halt kacke. Denn die Unterschiede in unserer Gesellschaft werden immer größer. Wir schneiden einen Teil von uns einfach ab. Zusammengehörigkeit und das Verantwortungsgefühl für Schwächere bleiben auf der Strecke. Das macht mich traurig. Weil ich überzeugt bin, dass Gemeinschaft etwas ist, was wir als soziale Wesen dringend brauchen. Nicht mehr, weil wir mit vereinten Kräften gegen Säbelzahntiger kämpfen müssen. Sondern weil auch die dringenden und komplexen Themen unserer Zeit ein starkes WIR brauchen.
Wie ich WIR als Solo-Selbständige lebe?
Ich habe mich selbständig gemacht, um mehr Zeit mit meiner Familie zu haben. Selbständig zu sein bedeutet jedoch nicht, allein zu arbeiten. Viele Team- und Führungskräfteentwicklungen begleiten wir als Team. Für Themen, in denen ich selbst nicht die Expertin bin, hole ich mir fundierte Unterstützung aus meinem Netzwerk. Supervision und kollegiale Beratung sind ein fester Bestandteil meiner Arbeit als Berater, Trainer, Coach und Führungskraft.
Denn wie gesagt, gerade wenn es um komplexe Fragestellungen geht braucht es eben nicht mehr vom selben, sondern möglichst viele unterschiedliche Perspektiven.
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Titelbild: Carsten Nachlik
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