Wie Teams zügig zu klugen Entscheidungen kommen

Von Susen Stanberger

Gute Teamentscheidungen? Ist das ein Widerspruch in sich?

Kennt Ihr das auch? Ihr wollt etwas kaufen, geht in den Supermarkt und steht dann hilflos vor vollen Regalen und könnt Euch nicht entscheiden. Oder meine persönliche Challenge: Subway. Da wird man mit so vielen Fragen bombardiert, dass man gefühlt 1.000 Entscheidungen getroffen hat, bis man endlich das Sandwich in den Händen hält. Ab und an ist das echt witzig, aber ab und an ist das super nervig. Nämlich dann, wenn ich müde bin, zu viele Entscheidungen schon getroffen habe und keine mehr treffen mag. Nur, was wenn ich keine Wahl habe? Was, wenn ich Entscheidungen treffen MUSS?

In meiner Rolle als Führungskraft beispielsweise habe ich tagtäglich unzählige Entscheidungen treffen müssen. Manche waren absolut notwendig, bei anderen habe ich mich gefragt, warum gerade dieses Thema bei mir landet und nicht dort bleibt, wo es hingehört: ins Team. Womit sich eine weitere Frage anschließt: Wann landet denn welches Thema im Team und wann bei der Führungskraft?

Die Zeiten haben sich geändert, doch Entscheidungen treffen will gelernt werden

Es gab Zeiten, da haben Führungskräfte alles entschieden. Dass diese Spezie immer seltener anzutreffen ist und Teams mehr und mehr in die Eigenverantwortung gehen, ist gut so. Nur, Entscheidungen treffen will gelernt sein. Leider wird gerade Kindern und Jugendlichen heute Vieles abgenommen, folglich fällt es diesen Menschen später unheimlich schwer, selbst Entscheidungen zu treffen. Denn, wenn ich mich für etwas entscheide, entscheide ich mich automatisch auch gegen etwas.

Bas Kast geht in seinem Buch „Ich weiß nicht was ich wollen soll“ der Frage nach, warum wir uns so schwer entscheiden können. Am Beispiel eines Marmeladenexperiments (US-Psychologin Sheena Iyengar, Columbia University, New York) zeigt er auf, dass Menschen, die eine kleinere Auswahl an Marmeladen zur Verkostung hatten, weniger zweifeln, beherzter zugreifen (kaufen) und am Ende zufriedener mit ihrer Wahl sind, als diejenigen mit der größeren Auswahl. Je größer die Auswahl, desto größer die Unfähigkeit, sich überhaupt noch zu entscheiden, sprich sich festzulegen. Unsere Zeit unbegrenzter Möglichkeiten scheint also Fluch und Segen zugleich.

Nun müssen wir uns im Berufsalltag eher selten für Marmeladen entscheiden. Trotzdem ergeht es uns ähnlich. Je mehr Lösungsmöglichkeiten wir haben, desto schwieriger wird es sich zu entschieden und desto weniger wollen wir uns festlegen

Warum Teamentscheidungen so wertvoll und auch so schwierig sind

Teamentscheidungen können so wertvoll sein. In der Regel haben Entscheidungen im Team mehr Akzeptanz  – zumindest in unserem Kulturkreis – wenn sie denn einvernehmlich getroffen werden. Außerdem fließen verschiedene Perspektiven und mehr Wissen in die Entscheidungsfindung ein, wenn mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen daran beteiligt sind. Anstrengend wird es allerdings, wenn der Prozess sich wie Kaugummi zieht, weil zu viele Personen unter einen Hut zu bringen sind oder jeder, der an der Entscheidung beteiligt ist, eine andere Meinung hat. Da würde man als Führungskraft doch am liebsten die Entscheidung allein treffen. 

Wie kann man also sichergehen, dass Teamentscheidungen möglichst gut und zügig getroffen werden?

Die ehrlichste Antwort wäre vermutlich: „gar nicht“. Aber man kann zumindest dafür sorgen, dass Teams ein Umfeld antreffen, in dem das möglich ist. Hier sind aus meiner Erfahrung die folgenden drei Punkte essenziell:

  1. Die wichtigste Voraussetzung, um im Team Entscheidungen zu treffen ist vermutlich, dass wir die Erwartungen jedes einzelnen Teammitgliedes an das kennen, was mit der Entscheidung verbunden ist bzw. welche Auswirkungen sie haben wird. Stellt Euch dazu folgende Fragen:
    • Welches Zielbild hat jede*r von uns vor Augen? (Hier sind Bilder immer sehr hilfreich)
    • Welches Ergebnis wird von wem erwartet?
    • Welche Auswirkungen könnte die Entscheidung auf Einzelne haben, z.B. in Form von (Verhaltens-) Änderungen im Team?
    • Welche langfristigen Auswirkungen erwarten wir?
  2. Als Zweites wäre zu klären, wie hoch jedes Teammitglied die Erfolgswahrscheinlichkeit einschätzt. Ich nutze dazu gerne Skalen von 1 bis 10. 1 wäre keine Erfolgschance, 10 wäre 100 % Erfolgschance. Durch diese Visualisierung kann man wunderbar die Gründe für die Bewertung im Team erörtern und hat somit eine Basis, um „gemeinsam eine Entscheidung zu treffen“, oder eben auch nicht. Aber dann kann man sich den mühsamen Entscheidungsprozess auch sparen, weil er eh zu nichts führen würde.
  3. Meine Erfahrung hat gezeigt, Teams treffen gerne und auch gute Entscheidungen, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit hoch ist. Dazu müssen sie jedoch außerdem wissen, in welchem Rahmen sie entscheiden dürfen. Es muss also glasklar sein, worüber das Team gerade entscheidet und dass diese Entscheidung in ihrem Gestaltungsspielraum liegt. Für den Aushandlungsprozess im Team nutze sehr gerne ein Stufenmodell, das Ihr gemeinsam individuell auf Eure Bedürfnisse anpassen könnt. Als Führungskraft solltest Du Dir allerdings vorab einige Fragen dazu stellen:
    • Habe ich ein präferiertes Level, auf dem ich agiere? Gibt es eine Tendenz?
    • Mache ich Unterschiede, je nachdem, mit welchem Teammitglied ich spreche?
    • Bin ich transparent gegenüber meinem Team, auf welchem Level ich gerade
      agiere?
    • Bleibe ich konsequent? Behalte ich das gewählte Level im Verlauf des
      Prozesses bei? Auch in Stresssituationen?
    • Wenn ich das Level verändere, welche Tendenz habe ich? Ziehe ich zurück
      Richtung Level 1 oder werde ich offener in Richtung Level 5?

Die Details kennen und benennen

Häufig sind sich die Teammitglieder über die Grundsatz-Entscheidung einig, nicht aber über die Details, wie z.B. die zeitlichen, inhaltlichen oder finanziellen Aspekte. Daher gilt: Je strukturierter die verschiedenen Lösungsvorschläge, desto einfacher findet das Team zu einer gemeinsamen Entscheidung. Heißt, es ist nicht nur wichtig zu entscheiden, dass etwas gemacht wird, sondern auch wie und vom wem. Deshalb ist eine gute Vorbereitung so unglaublich wichtig.

Es fasziniert mich immer wieder, wenn ich Teams in Entscheidungsprozessen begleiten soll und wir dann im Workshop feststellen, dass, obwohl angeblich alles klar ist, nichts klar ist. Während ein Teil des Teams nur noch auf das „GO“ wartet, haben sich andere noch nicht einmal die Mühe gemacht, sich vorab mit dem Thema zu beschäftigen. Oder schlimmer noch, ganz nach dem Motto „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ werden bereits geführte Diskussionen, weil es so schön war, nochmal geführt. Dann ist es wichtig zu klären, an welcher Stelle wir entscheiden, dass wir das nicht mehr diskutieren. Also, gute Vorbereitungen schützen vor endlosen Diskussionen und vor Ehrenrunden, in denen man wieder und wieder das gleiche bespricht.

Nicht zuletzt kommt es dann auch darauf an, ob wir mit Kompromissen leben können und wollen. Wenn sich einige durchsetzen und andere es einfach über sich ergehen lassen. Wenn im Team entschieden werden soll, sollte auch das Team entscheiden. Jede*r muss zu Wort kommen. Ziel ist es ja, einen breiten Konsens zu erreichen und gemeinsam die Entscheidung zu treffen. Da hilft es nicht, wenn man möglichen Konflikten aus dem Weg geht – oder mit dem Kopf durch die Wand.

Mein Fazit: Es braucht ein gemeinsames Verständnis für den Ausgangspunkt und das Zielbild.

Gemeinsam Entscheidungen treffen im Team ist gar nicht so leicht, aber möglich. Ein gemeinsames Verständnis über Ausgangspunkt und Rahmen, ein wertschätzender Raum für die verschiedenen Entscheidungspräferenzen und eine Bewertung der möglichen Auswirkungen sind die Basis für konstruktive Diskussionen. Wenn sie das Team dann noch auf mögliche Kompromisse vorbereitet, werden aus endlosen Diskussionen tragfähige Entscheidungen

In diesem Sinne wünsche ich allzeit anregende Diskussionen 😉

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