„Wir haben hier einen Konflikt im Team, können Sie helfen, eine Lösung zu finden?“ Oft ist das der Ausgangspunkt meiner Arbeit mit Teams und ihren Führungskräften. Schnell ist man im Unternehmen dabei, das Problem bei den Beteiligten zu suchen, ihnen soziale Kompetenz und die Fähigkeit zur kollegialen Zusammenarbeit abzusprechen. Meine Erfahrung ist: ganz selten liegt es an den Menschen selbst. Doch was führt dann dazu?
Konflikte können viele Ursachen haben
Dass es auf der zwischenmenschlichen Ebene „knirscht“, kann unfassbar viele Ursachen haben. Deshalb steht am Anfang meiner Arbeit immer ein genaues Hinsehen und Hinhören. Im Gespräch mit dem Team erhalte ich Einblick in den Arbeitsalltag, die Organisation, auch in die Team- und Führungskultur. Ein Phänomen, was sich dabei immer wieder zeigt, ist die Wirkung von Zielvereinbarungen und Belohnungssystemen, die innerhalb des Teams oder in der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu Konflikten führen.
Ein typisches Beispiel: während der Vertrieb immer wieder Aufträge mit zahlreichen Sonderlocken an Land zieht und sich dafür feiert, verursachen diese Aufträge bei den Leuten, die die Projekte umsetzen sollen, zu Mehraufwand und hohen Prozesskosten. Es folgt die Diskussion darum, auf welcher Kostenstelle der Mehraufwand landet. Doch das ist leider wenig zielführend, sondern befeuert den zwischenmenschlichen Konflikt.
Belohnung als Motivator?
Um das gleich vorab deutlich zu machen, ich halte Zielvereinbarungen und Belohnungssysteme durchaus für sinnvoll. Individuelles Engagement und Leistung sollte sich auszahlen. Jedoch sollten die eingesetzten Werkzeuge gut durchdacht und im Sinne der strategischen Ziele gut aufeinander abgestimmt sein. Und als Führungskraft solltest Du Dir ihrer Wirkung auf das Handeln der Menschen bewusst sein.
Denn Du förderst ja durch individuelle Zielvereinbarungen und erfolgsabhängige Gehaltskomponenten ein bestimmtes Verhalten, verstärkst Interessen in die eine oder andere Richtung. Das ist so gewollt, aber nicht immer hilfreich bzw. kann es auch zu ungewünschten Dynamiken führen.
Ein Ausflug in die Psychologie
Lass uns an dieser Stelle einen kleinen Ausflug in die pädagogische Psychologie machen.
Burrhus Frederic Skinner begründete in seiner Forschung die Theorie des Lernens und Handelns durch Verstärkung. In seinen Studien beschrieb und untersuchte er den Prozess, wie ein Verhalten durch die damit verbundenen Konsequenzen vermehrt bzw. verstärkt wird. Seine Theorie unterscheidet zwischen positiver Verstärkung und negativer Verstärkung.
Positive Verstärkung (Belohnung)
Die positive Verstärkung führt dazu, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, weil es positive Konsequenzen herbeiführt bzw. etwas so bleibt, wie es ist.
Positive Konsequenzen können im beruflichen Kontext z.B. Lob und Anerkennung, aber natürlich auch Gratifikationen sein. Positive Verstärker lösen i.d.R. angenehme Gefühle aus.
Negative Verstärkung (Bestrafung)
Die negative Verstärkung führt dazu, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, um negative Konsequenzen zu vermeiden, zu verringern oder zu beenden.
Beispiele aus dem beruflichen Kontext könnten hier z.B. Gehaltskürzungen, Abzug aus einem spannenden Projekt oder Zwangsversetzungen sein. Negative Verstärkungen sind oft mit Gefühlen wie Angst, Schuld und Scham verbunden. Für die menschliche Psyche sind diese Gefühle von großer Tragweite und können schwere, dauerhafte Verletzungen hinterlassen.
Was heißt das für mich als Führungskraft?
Was solltest Du also unbedingt beachten?
Als Führungskraft hast Du hast vielfältige Möglichkeiten, erwünschtes Verhalten zu fördern oder zu belohnen. Ich setze, übrigens auch in der Erziehung meiner Kinder, in erster Linie auf positive Verstärker:
1. Regelmäßiges Feedback geben
Und damit meine ich nicht nur Lob. Mit einer wertschätzenden und vor allem zeitnahen (!) Rückmeldung, ob und wie Menschen etwas besser machen können, schenkst Du ihnen Deine Aufmerksamkeit. Gleichgültigkeit hingegen oder eine Liste von Fehlern, die gesammelt beim Jahresgespräch präsentiert wird, um eine nicht gewährte Gehaltserhöhung zu begründen, kann zu einer bitteren Erfahrung führen. Solche Erlebnisse wirken beim Teammitglied sehr lange nach und verbreiten sich zudem wie ein Lauffeuer im gesamten Team und Unternehmen.
2. Inspirierendes Vorbild sein
Wir Menschen lernen auch durch Modelle, sprich Vorbilder. Wenn Du also möchtest, dass Dein Team ein bestimmtes Verhalten zeigt, fang bei Dir selbst an. Lebe vor, wie Du eine Sache haben möchtest. Wie Dein Team miteinander umgeht, hängt in erste Linie davon ab, wie Du mit ihnen umgehst. Inwiefern es Verantwortung übernimmt zeigt sich darin, ob auch Du bereit bist, genau das zu tun.
3. Fordern und fördern
In uns allen steckt der Wunsch nach Entfaltung und Weiterentwicklung. Indem Du Deinen Teammitgliedern spannende Aufgaben gibst, ihnen etwas zutraust und sie ermutigst, sich neuen Herausforderungen zu stellen, kannst Du sie in hohem Maße motivieren. Wichtig ist nur, dass Du ein Auge darauf hast, dass sie für das, was Du ihnen zutraust, auch die nötigen Fähigkeiten haben. Und wenn nicht, ihnen durch Weiterbildung die Möglichkeiten gibst, diese zu erlernen. Ansonsten führt ein Fordern schnell zum Überfordern, und Du erreichst genau das Gegenteil: die Motivation sinkt.
4. Befördern
Viele Unternehmen überdenken in der neuen Arbeitswelt ihre Karrierepfade, und das ist gut so. Bislang war der einzige Weg für ein Vorankommen in vielen Organisationen eine Führungsposition. Doch das will gar nicht jede und jeder. Auch die Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema, Produkt oder eine koordinierende Rolle, die Wissen aus verschiedenen Bereichen miteinander vereint, ist für ein Unternehmen von großem Wert und bietet Möglichkeiten für persönliche Entwicklung. In der Beförderung geht es gar nicht immer nur um eine offizielle neue Position oder einen Titel. Die Motive der Mitarbeitenden können sehr unterschiedlich sein. Doch das ist ein anderes, großes Thema – vielleicht in einem der nächsten Blogbeiträge 🙂
5. Individuelle Zielvereinbarungen mit erfolgsabhängigen Gratifikationen
Womit wir wieder beim Ausgangspunkt sind. Worauf solltest Du also achten, wenn Du mit diesen Werkzeugen arbeitest? Die wichtigsten Aspekte sind nach meiner Erfahrung:
- Gratifikationen sollten grundsätzlich nicht nach Bauchgefühl verteilt werden, sondern sich auf vorher vereinbarte Ziele und Ergebnisse beziehen bzw. einfach nachvollziehbar sein.
- Auch wenn das ein alter Hut ist, will ich diesen Aspekt hier nochmal erwähnen: Ziele sollten nach Peter Drucker SMART formuliert sein. Mehr dazu findest Du hier.
- Denke voraus und achte immer darauf, wie sich die Zielvereinbarungen auf die einzelnen Akteure auswirken könnten. Auch, welche Seiteneffekte in andere Bereiche es geben könnte. Einiges kannst Du vorhersehen, manches aber auch nicht. Deshalb ist es wichtig, dass Du die Effekte kontinuierlich im Auge behältst, Verhalten hinterfragst und Dein Modell ggf. anpasst.
- Je essentieller, damit meine ich wichtiger, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, die variablen Gehaltsbestandteile für die einzelnen Mitarbeitenden sind, desto stärker setzen sich die Akteure für ihre eigenen Interessen ein und verlieren womöglich das gemeinsame Ziel aus den Augen. Inwieweit das schädlich oder förderlich ist, hängt davon ab, wie sehr Euer Erfolg überhaupt von Zusammenarbeit abhängt. Das ist von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Mal ist das „Team“ nur die Klammer um eine Gruppe von Einzelkämpfern, die bis auf die Darstellung im Organigramm nichts miteinander verbindet. Mal ist ein Ergebnis überhaupt nur zu erreichen, wenn alle ihren Beitrag leisten und die Staffelstabübergabe reibungslos funktioniert. Dazwischen gibt es natürlich eine breite Klaviatur. Was mich zum nächsten Punkt führt…
- Grundsätzlich sollte das Modell zur Kultur und den strategischen Zielen des Unternehmens passen. Es gibt da nicht die EINE Wahrheit. Jedes Unternehmen darf hier seinen eigenen Weg finden.
- Eine Alternative zu individuellen Zielvereinbarungen sind Teamziele, die an Teamgratifikationen geknüpft sind. Auch hier kommt es darauf an, inwieweit das Team aufeinander angewiesen ist, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Ich habe bei meinen Kund*innen gesehen, wie Teamziele zu mehr Ansporn und gegenseitiger Unterstützung geführt haben. Ich habe aber gesehen, wie Teamziele in einem Hauen und Stechen geendet sind. Die Kette ist eben immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und das kann letztlich High-Performer auch vergraulen.
Ich will es an dieser Stelle dabei belassen, weil Gehalts- und Belohnungsmodelle, gerade im Kontext von New Work, ein wirklich weites Feld sind. Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest und Lust hast, Dich mit ganz neuen Ansätzen zu beschäftigen, kann ich Dir das spannende Projekt https://www.new-pay.org/ von Sven Franke und Nadine Nobile nur wärmstens ans Herz legen.
Mein Fazit in Sachen Belohnungen in Teams
Monetäre Belohnungssysteme sind nur EIN Werkzeug, um positives Verhalten und Engagement im Team zu fördern. Darüber hinaus gibt es viele andere, die sich durch mehr Gehalt nicht ersetzen lassen. Echtes Interesse, regelmäßiges Feedback und individuelle Förderung führen deutlich nachhaltiger zu Leistungsbereitschaft und Loyalität. Ob zusätzlich auch erfolgsbezogene Komponenten sinnvoll sind, hängt von der Unternehmenskultur, der Teamkonstellation und der gemeinsamen Aufgabe ab. Für alle diese Verstärker gilt gleichermaßen, dass sie fair und nachvollziehbar sein sollten, damit sie nicht in Konflikte, sondern in Motivation für das gesamte Team münden.
Falls Du einen Konflikt in Deinem Team hast und wissen möchtest, wo die Ursachen dafür WIRKLICH liegen, dann melde Dich gern bei mir.