Teamworkshop in einer Abteilung für technischen Kundensupport. Wir sitzen zusammen in vertrauter Runde. Der Tagungsraum bietet den zwölf Teilnehmenden ausreichend Platz für einen Stuhlkreis, so dass sich alle gut sehen können.
“So haben wir uns lange nicht mehr getroffen,” heißt es aus einer Ecke. Die anderen Teammitglieder stimmen zu. “Es ist schön, dass wir uns mal wieder persönlich sehen. Ist doch was anderes als immer nur vor der Glotze.”, höre ich. “Stimmt, in den meisten dieser Meetings redet doch eh immer nur eine Person”, entgegnet eine Kollegin. Ihr Blick geht in Richtung Teamleitung, die sofort reagiert: “Dabei wünschte ich mir doch, Ihr würdet Euch ein bisschen mehr einbringen. Dann könnte ich besser einschätzen, wo es gut bzw. nicht so gut läuft und Euch besser unterstützen.”
Über das Teammeeting reden hilft…
Und schon sind wir mittendrin in der Diskussion um ihr “Daily”. So nennt das Team die tägliche viertel bis halbe Stunde. Zeit, die sie sich jeden Morgen um 9 Uhr nehmen, um die Themen und To Dos des Tages abzustimmen. Es entbrennt eine lebhafte Diskussion. Ich halte auf Moderationskarten fest, was die Mitglieder des Teams konkret an der aktuellen Routine stört.
Nach einer halben Stunde intensiven Austausches hängen an der Metaplanwand folgende Punkte:
- nebenbei E-Mails lesen
- immer wieder Blick aufs Handy
- parallel Anrufe entgegen nehmen
- Einige haben die Kamera aus
- ständiges zu spät kommen und informeller Austausch am Anfang stört
- es redet oft nur die TL
- meine eigene Themen werden “abmoderiert”
- wir überziehen oft
- ich habe das Gefühl, die Arbeit ist ungleich verteilt
- eigentlich weiß ich gar nicht, was die anderen so machen
“Interessant”, beende ich die Runde. “Es scheint, als finden alle das derzeitige Format irgendwie blöd, aber offenbar hat das bisher niemand so geäußert. Wie kommt das?” Es folgt ein nachdenkliches Schweigen. Dann meldet sich jemand zu Wort: “Wir hatten das ja auch mal anders abgesprochen. Reihum sollte jede Person einen kurzen Status und gegebenenfalls Unterstützungsbedarf in die Runde geben, aber seit einigen Monaten ist das eingeschlafen.” Ich bohre weiter: “Wann habt ihr das letzte Mal über dieses Meeting gesprochen und was es euch eigentlich bringt?” Wieder Schweigen bis die Teamleiterin sagt: “Naja, so richtig eigentlich noch nie.”
Alle finden das Teammeeting doof, doch keiner sagt etwas
Dieses Beispiel steht stellvertretend für zahlreiche Teamworkshops zum Thema Teammeeting der vergangenen Monate. Die Teams haben zu Beginn der Pandemie schnell auf die neuen Rahmenbedingungen im Homeoffice reagiert und ihre Zusammenarbeit auf mobiles Arbeiten umgestellt. Es sind neue Formate entstanden und etliche neue Tools eingeführt worden. Man hat sich gemeinsam auf die geänderten Gegebenheiten eingestellt. Doch gerade wenn zu viele Veränderungen auf uns einprasseln oder sich Routine einstellt neigen wir dazu zu vergessen, auch mal gemeinsam auf die Ergebnisse zu schauen. Die Folge: die Teammeetings werden zu einem lästigen Pflichttermin und die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden steigt.
Laut einer aktuellen Studie der Bitcom sieht es gerade in virtuellen Teammeetings hinsichtlich der wahrgenommenen Effizienz eher düster aus:
- 41% der Teilnehmenden machen parallel etwas anderes, z.B. Mails schreiben
- 29% sind auf Social media unterwegs
- 27% spielen Online-Spiele
- 23% lesen aktuelle Nachrichten
- 15% checken Sportergebnisse
- 6% shoppen online
72% der Teilnehmenden stört das! 🙂
Gemeinsam und vor allem regelmäßig reflektieren und Spielregeln fürs Teammeeting vereinbaren
Im oben geschilderten Beispiel konnte das Team die Kritikpunkte nutzen, um sich in kurzer Zeit wieder auf ein gemeinsames Verständnis und ein paar neue Spielregeln im “Daily” zu verständigen:
- Das Meeting dient in erster Linie dazu, sich in Bezug auf die aktuellen operativen Aufgaben kurz zu updaten, zu erfahren, wer gerade woran arbeitet und wie verfügbar ist.
- Kamera an! Mimik und Gestik helfen uns, einander besser zu verstehen.
- Jede und jeder bekommt reihum eine 3-Minuten-Timebox, um das Team über relevante Dinge zu informieren. Als Leitfaden dabei dienen folgende Fragen:
- Über welche meiner Arbeitsergebnisse oder Themen sollte das Team bescheid wissen?
- Was habe ich heute vor?
- Wen oder was brauche ich aus dem Team?
- Inwieweit stehe ich dem Team heute zur Verfügung?
- Etwaige Fragen die sofort geklärt werden können, werden in der Runde geklärt. Für umfangreichere Themen wird verabredet, wie damit weiter verfahren wird.
- Falls jemand während der Runde von einem Thema hört, bei dem er/sie helfen kann oder von dem er/sie betroffen ist, nimmt der- bzw. diejenige nach dem Meeting mit dem betreffenden Teammitglied direkt Kontakt auf.
- Der Meetingraum wird 10 Minuten vorher geöffnet, um informell “aufzuwärmen” (für die, die mögen). Das eigentliche Meeting startet und endet pünktlich.
- Während dieser halben Stunde liegt der Fokus auf dem Austausch im Team. Alle schalten die Kamera ein und alle anderen Kommunikationswege ab. Ausnahmen werden vorab kommuniziert. (“Ich warte auf einen dringenden Anruf von…”)
- Gemäß Betriebsvereinbarung ist jedes Teammitglied zwei Tage pro Woche im Büro. Einer davon ist ab sofort für alle verbindlich freitags, so dass das Daily an diesem Tag bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee oder Tee in Präsenz stattfinden kann und wir uns auch regelmäßig persönlich sehen.
- An diesem Präsenztag nehmen wir uns alle 2 Wochen etwas mehr Zeit und reflektieren, wie wir das Meeting nach den Änderungen erleben und ob wir nochmal etwas verändern wollen.
Da das Team gemeinsam die Kritikpunkte gesammelt und anschließend an dieser neuen Vereinbarung gearbeitet hat, fühlen sich alle in der Verantwortung. Aufgabe der Teamleitung ist es nun, für Verbindlichkeit zu sorgen, d.h. auf die Einhaltung der Punkte zu achten und die verabredete Retrospektive zum Meeting durchzuführen.
Falls Du mehr über das Thema wissen möchtest oder Interesse an einem Workshop für Dein Team hast, melde Dich gern bei mir!