Onboarding digital und so wichtig wie nie!

Von Susen Stanberger

“Alles bleibt anders.”, dieser Songtitel passt wohl gut in unsere Zeit. Wir sind zurück – zurück im Homeoffice. Was für die einen gern genommene Zeitersparnis beim Arbeitsweg – gerade in der Vorweihnachtszeit – bedeutet, bringt andere zunehmend an ihre Grenzen. Wenn das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine, das “Hallo, wie geht`s?” auf dem Flur oder ein Pläuschchen in der Kantine entfallen, leidet das Wir-Gefühl im Team. Für neue Teammitglieder ist das Onboarding digital besonders schwierig. In Coachings berichten mir Führungskräfte immer wieder, so manch neuer Mitarbeitende hat den Arbeitsplatz im Büro nach einem Jahr noch nie gesehen. Und weil die Weihnachtsfeier wieder ausfallen musste, haben sie auch das Team noch nicht persönlich kennen gelernt. Oft werde ich dann gefragt, wie sich Onboarding digital besser gestalten lässt. Meine Gegenfrage lautet: “Wisst Ihr denn, was genau ein neues Teammitglied braucht, damit es gut bei Euch ankommt?” Die Antwort folgt unverzüglich: “Ähm, …” 🙂

Die zentralen Fragen, nicht nur bei Onboarding digital

Mein Vorschlag: versetzt Euch – jeder für sich – einfach mal in die Lage eines neuen Teammitgliedes in diesen Zeiten!
Wie fühlst Du Dich, wenn Du vor dem PC, vielleicht auch nach 2 Jahren noch nicht so ganz mit der Technik vertraut, auf 10 Kacheln mit neuen Gesichtern schaust? Was geht Dir durch den Kopf mit Blick auf all die unbekannten Menschen, die sich untereinander vielleicht schon lange kennen und voller unterschiedlicher Erwartungen auf den oder die Neue sind? Was könnten sie tun, wie sollten sie sich verhalten, damit Dein erster Eindruck ein positiver ist? Was wäre hilfreich, damit Du Dich öffnest und voller Begeisterung in Deine neue Aufgabe startest? 

Susen Stanberger Onboarding Fragestellung

Tragt all Eure Gedanken und Fragen zusammen, die Euch in der Rolle des neuen Teammitgliedes beschäftigen. Das kann auch so etwas sein wie:

  • Wie fühle ich mich hier? Was ist mein erster Eindruck?
  • Wer sind die Menschen, mit denen ich zu tun habe? Was haben wir gemeinsam, was unterscheidet uns?
  • Wie gehen die Menschen miteinander um?
  • Was ist hier meine Aufgabe? Was muss ich dafür wissen und beherrschen?
  • Wer beurteilt nach welchen Kriterien, ob ich sie gut mache?
  • Wer sind meine Ansprechpartner? Wen kann ich fragen und um Hilfe bitten?
  • Welche Regeln gibt es?
  • Wie erfolgt die Einarbeitung?
  • Was darf ich selbst entscheiden? Wo sind meine Grenzen?
  • Wie relevant ist das Thema für die Organisation, an dem ich arbeite?
  • Wie werde ich von den anderen wahrgenommen?
  • Wie sieht meine Arbeitsausstattung aus?
  •  …

Und dann kehrt zurück in Eure eigentliche Rolle im Team. Fragt Euch nun, was Ihr vom neuen Teammitglied erwartet und woran Ihr merkt, dass er oder sie diese Erwartungen erfüllt. Es ist wahnsinnig hilfreich, wenn Eure neue Kollegin bzw. Euer neuer Kollege das von Euch weiß und sich entsprechend engagieren kann.

Die Zeit, sich all diese Fragen im Team zu stellen und Antworten herauszuarbeiten, ist gut investiert. Wenn Ihr dieses Fundament erarbeitet habt, könnt Ihr mit den dann folgenden Inhalten und Methoden beim Onboarding gut darauf aufbauen.

Sich online näher kennenlernen

In einem neuen Umfeld braucht jeder von uns vor allem Orientierung und Sicherheit. Und Menschen, die beim Zurechtfinden unterstützen. Das klappt dann am besten, wenn wir uns besser kennenlernen und wissen, was die andere kann und wie der andere so tickt. Das startet vielleicht mit einer kleinen Vorstellungsrunde oder einem Online-Speed-Dating im Rahmen des nächsten Teammeetings. Um sich näher kennen zu lernen, sind aber weiterführende persönliche Gespräche nötig. Über das, was wir denken, was uns bewegt und was uns als Menschen ausmacht. Nur so erfahren wir, was uns verbindet und was uns unterscheidet. Dafür braucht es einen passenden Rahmen und eine offene Atmosphäre. In meinen Workshops arbeite ich dabei gern mit spielerischen Elementen. Ich liebe die Tools von LUDOKI und Metalog, denn sie machen Spaß und funktionieren mit ein wenig Kreativität auch online sehr gut. Nicht nur neue Teammitglieder profitieren von den Impulsen. Auch die alten Hasen und Häsinnen lernen sich immer noch ein bisschen besser kennen und verstehen.

Darüber hinaus hat es sich bewährt, wenn jedes Teammitglied einen kleinen Steckbrief von sich anfertigt und dem Team vorstellt. Hier könnt Ihr ein → Beispiel runterladen. Manche Teams legen die Steckbriefe auf einem virtuellen Team-Board ab, so dass man jederzeit darauf zugreifen und bei Bedarf ergänzen kann.

Weitere Anregungen für interaktive Methoden in Euren Online-Teammeetings findet Ihr → hier

Die primäre Aufgabe des Teams verstehen

Das Team und ihre Arbeitsweise im neuen Team kennen zu lernen, ist die eine Sache. Mindestens genauso wichtig ist, die primäre Aufgabe zu verstehen, die das Team in der Organisation erfüllt. Hier kann es z.B. hilfreich sein, in angrenzende Teams reinzuschnuppern, Brücken in andere Bereiche zu bauen oder auch mal Kunden- bzw. Stakeholder-Stimmen online hinzu zu ziehen. Es ist alles hilfreich, was aus der Perspektive des individuellen Aufgabenbereiches auch den Blick auf das große Ganze ermöglicht.

Aber Vorsicht – weniger ist mehr. Damit der oder die Neue motiviert und engagiert bleibt, sollten die Arbeitspakete gerade am Anfang klar definiert und unbedingt machbar, also kein Himmelfahrtskommando sein. Der Schreibtisch einer neuen Kollegin bzw. eines neuen Kollegen ist keine Abladestation für alles, was schon lange liegt und bisher keiner machen wollte 🙂

LUDOKI ONLINE

Am Ball bleiben

Onboarding ist keine Eintagsfliege. Gerade am Anfang ist es wichtig, an der neuen Kollegin / am neuen Kollegen dran zu bleiben. Ein regelmäßiger Austausch darüber, was gut läuft, was fehlt und wo noch Unterstützung nötig ist, ist entscheidend. Das muss die Führungskraft aber nicht allein bewältigen. Das Team kann einen “Paten” benennen, der/die für das neue Teammitglied zuständig und mit ihm in engem Austausch ist.

In regelmäßigen Abständen kann es sinnvoll sein, einen messbaren Status abzufragen. Hierzu könnt Ihr einen kurzen Fragebogen entwickeln, den ich Ihr vom neuen Teammitglied z.B. nach 30, 90 und 120 Tagen ausfüllen lasst. So seht Ihr die Entwicklung beim einzelnen Teammitglied und könnt außerdem leicht herausfinden, was Ihr in Eurem Onboarding-Prozess insgesamt noch verbessern könnt. Hier liegt eine große Chance, denn der frische Blick sieht Dinge, die Ihr vielleicht nicht mehr seht.

Mein Fazit: Beziehung schafft Vertrauen und (Ver-) Bindung

Das Arbeiten im Homeoffice stellt sogar eingespielte Teams vor große Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, gut für neue Mitspieler*innen zu sorgen und vor allem in die persönlichen Beziehungen zu ihnen zu investieren. Das geht auch online oder per Telefon. Denn Vertrauen und (Ver-) Bindung entstehen vor allem durch Beziehung. Wenn wir nicht auf der persönlichen Ebene miteinander verbunden und in Kontakt sind, ist es irgendwann egal, für wen wir zu Hause vor dem PC oder Tablet sitzen. Dann werden Arbeitgeber austauschbar und Job-Hopping zum bitteren Schmerz der Führungskräfte. Damit es nicht soweit kommt, braucht es nach einem erfolgreichen Rekruiting vor allem eines: Zeit und Priorität für ein ebenso erfolgreiches Onboarding.

Bildquellen: 
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Ludoki GmbH

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